Karl Jatho fliegt 1903 bei Hannover
Einer der letzten Experimentatoren bei der Durchführung eines Motorfluges vor den Brüdern Wright war mit seinen Versuchen ein weiterer Deutscher mit Namen Karl Jatho (1873 – 1933).
Jatho musste seine Versuche vorerst geheim durchführen, denn als Beamter der Stadt Hannover konnte er sich solche Kapriolen nicht leisten. Als Inspektor im technischen Revisionsbüro der Stadtverwaltung baute er schon 1896 heimlich seinen ersten Lilienthal-Gleitflieger und führte damit eine Anzahl von Gleitversuchen durch. Etwas verunsichert und beunruhig, wie es jeder andere Experimentator nach dem tödlichen Unfall von Otto Lilienthal zu diesem Zeitpunkt mit Sicherheit war, nahm er ständig Veränderungen an seinem Gleiter vor.
Nördlich des Mittellandkanals, in der ehemaligen Vahrenwalder Heide setzte man ihm ein Denkmal. Denn hier ließ sich Jatho eine kleine Start- und Landebahn herrichten. Er baute einen kleinen Hangar mit Werkstattschuppen.
Viele Jahre später entstand hier der Flughafen Hannover-Vahrenwald, der bis zum Ende des zweiten Weltkrieges in Betrieb war.
Jatho baute einen Dreidecker, der nach Fertigstellung einige Jahre auf seinen Motor warten sollte. Um die Wende 1902/1903 fand Jatho endlich einen geeigneten Motor für seinen Flieger. Es war ein französischer Buchet-1-Zylinder Benzinmotor mit 12 PS Leistung. Dieser Motor hatte zwar die gleiche Leistung wie der spätere Wright-Motor, war aber nur 64 kg schwer und hatte somit ein besseres Leistungsgewicht.
Das Fluggerät sah etwas anders aus als sein Lilienthal-Gleiter, unterschied sich völlig von diesem und könnte eher als Motor- Drachenflugzeug bezeichnet werden.
Der Flieger hatte kein Höhen- bzw. Querruder und war in seiner Konzeption eigentlich ein Nurflügler. Die Flügel hatten kein gewölbtes Profil, keine Pfeilung und keine V-Form für die Längsstabilität. Jatho trat eigentlich mit diesem Fluggerät „einige Schritte hinter Lilienthal“, ohne dessen Erfahrungen zu nutzen. Er verzichtete auf eine Auftriebsverbessernde Wölbung der Tragflächen und bespannte nur die Unterseite der Flächen. Aerodynamisch war er entweder nicht auf dem neusten Stand der Wissenschaft und hinkte somit weit hinter anderen Flugpionieren her, oder er ignorierte die Erkenntnisse über den Auftrieb an gewölbten Flächen, die bereits in der Praxis durch Lilienthal beim Hanggleiten bewiesen wurden, und wollte neue, eigne Erfahrungen sammeln.
Aus den vorab genannten Gründen kann dieses Fluggerät nicht als „flugstabil“ und „lenkbar“ bezeichnet werden und auch der Motor allein konnte dem Flieger nicht helfen, auch wenn er seine Versuche häufig von kleineren Hügeln aus unternahm. Am 18. August 1903 unternahm er einen weiteren Versuch und soll ca. 18 m weit und einen knappen Meter hoch gesprungen sein.
Vier Zeugen bestätigten dieses Ereignis notariell. Bei weiteren Versuchen wurde der Flieger beschädigt und danach in einen Zweidecker (Jatho 1) umgebaut. Dieser Doppeldecker hatte eine Spannweite von 8 Metern, die obere Tragfläche war etwa um ein Drittel kleiner.